Schon allein der Name ist sperrig: Corporate Sustainability Due Diligence Directive. Oder auf deutsch: Richtlinie zur unternehmerischen Nachhaltigkeitssorgfaltspflicht. In der öffentlichen Diskussion werden daher meist die Abkürzung CSDDD (noch kürzer: CS3D) oder die deutsche Kurzbezeichnung verwendet: EU-Lieferkettenrichtlinie. Die Regelung trat im Sommer 2024 in Kraft und muss innerhalb der nächsten zwei Jahre in nationales Recht umgesetzt werden.
Im Kern geht es darum, große Unternehmen dazu zu verpflichten, mehr auf die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards zu achten. Das betrifft die gesamte Wertschöpfungskette – von der Förderung des Rohstoffs über die Herstellung bis hin zur Bereitstellung von Produkten und Dienstleistungen. Unternehmen tragen dadurch in Zukunft (noch) mehr Verantwortung dafür, mit welchen Zulieferern sie zusammenarbeiten. Umweltschützer und Menschenrechtsaktivisten hatten das schon lange gefordert. Ebenso kritische Verbraucher, die insbesondere bei Kleidung und Nahrung sicher sein wollen, dass bestimmte Standards eingehalten werden.
Viele Unternehmen und Wirtschaftsverbände befürchten dagegen, dass die CSDDD sich zu dem Bürokratiemonster entwickelt, den der Name vermuten lässt. Sie erwarten einen hohen organisatorischen Aufwand, steigende Kosten und Nachteile im globalen Wettbewerb. Mehrere Verbände hatten daher bis zuletzt versucht, die Richtlinie zu stoppen. In einem Schreiben an die EU und die Bundesregierung hieß es: „Es ist schlicht praxisfremd zu verlangen, dass Unternehmen aus den EU-Mitgliedstaaten für Pflichtverletzungen haften sollen, die in ihren Lieferketten geschehen.”
Die Verbände sehen bereits im deutschen Lieferkettengesetz, das 2023 eingeführt wurde, eine erhebliche Belastung. Sobald unter einer neuen Bundesregierung das Lieferkettengesetz an die EU-Richtlinie angepasst wird, werden die bestehenden Vorschriften erweitert. So sieht die CSDDD vor, dass die Sorgfaltspflichten verschärft und auf die nachgelagerte Wertschöpfungskette ausgedehnt werden. Für Unternehmen bedeutet das, dass sie den Einsatz ihrer Produkte und Dienstleistungen auch noch nach dem Vertrieb kontrollieren müssen.
Die gesamte Lieferkette zu überwachen, würde insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) vor Herausforderungen stellen. Im Gegensatz zu großen Konzernen fehlt ihnen in den meisten Fällen die Marktmacht, um direkten Einfluss auf Zulieferer zu nehmen. Eine schrittweise Umsetzung wäre daher zielführend, etwa durch eine Unterteilung der Lieferkette in Risikoklassen. Dies würde KMU entlasten und gleichzeitig eine pragmatische Annäherung an die angestrebten Sorgfaltspflichten ermöglichen, ohne ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit unverhältnismäßig zu beeinträchtigen.
Im Rahmen eines differenzierten Ansatzes könnten große Wirtschaftsakteure, die durch globale Marktstrukturen in der Vergangenheit überproportional profitiert haben, stärker in die Verantwortung genommen werden. Sie verfügen auch über die notwendigen finanziellen und organisatorischen Ressourcen, um Druck auf Partnerunternehmen zu machen umfassende Sorgfaltspflichten entlang der Lieferkette effektiv umzusetzen.
Unternehmen (zunächst ab 5000, später ab 1000 Mitarbeitern) müssen sich in den nächsten Jahren darauf einstellen, folgende Maßnahmen umzusetzen:
Trotz des Aufwands und möglicher Nachteile bieten sich gerade für deutsche Firmen auch neue Perspektiven: Wenn die Wertschöpfungskette nicht nur in Deutschland, sondern EU-weit überwacht werden muss, herrscht Chancengleichheit im internationalen Wettbewerb. Darüber hinaus haben Unternehmen durch eine frühzeitige und konsequente Umsetzung die Chance, ihr Markenimage zu verbessern und ihre Marktposition zu stärken. Denn: Eine glaubwürdige Nachhaltigkeitsstrategie macht sie für Investoren und Geschäftspartner attraktiver.
Von zentraler Bedeutung wird es sein, Synergien mit einer anderen EU-Richtlinie zu schaffen: Die Corporate Sustainability Reporting Direktive (CSRD) verpflichtet Unternehmen, über ihre Nachhaltigkeit Bericht zu erstatten. Die Richtlinie ist seit 2023 in Kraft und muss daher schon bald nach der Wahl von einer neuen Bundesregierung umgesetzt werden. Durch die Integration beider Richtlinien können Unternehmen regulatorische Anforderungen effizienter bewältigen und ihre Wertschöpfungsketten strategisch optimieren.