Stellungnahme der Bundesverbraucherhilfe e.V. zur Dritten Verordnung über die Bezugsdauer für das Kurzarbeitergeld

Datum der Veröffentlichung: 13. Dezember 2024

Anschreiben an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales


die Bundesverbraucherhilfe e.V. nimmt mit großem Bedauern und erheblichem Unverständnis die von Ihnen gesetzte Frist zur Stellungnahme zur Kenntnis. Wir sehen uns in der Pflicht, die Konsequenzen einer derart unverhältnismäßig kurzen Zeitspanne sowohl aus demokratischer als auch aus organisatorischer Perspektive eingehend zu analysieren. Im Folgenden legen wir dar, warum eine solche Praxis kontraproduktiv ist und einem verantwortungsvollen Gesetzgebungsprozess diametral entgegensteht:

 

Ein zentrales Prinzip moderner Demokratien besteht in der Gewährleistung einer umfassenden Partizipation von Akteuren der Zivilgesellschaft an politischen Entscheidungsprozessen. Die Partizipation externer Akteure im Rahmen der Verbändeanhörung dient nicht lediglich der Erfüllung gesetzlicher Formalien, sondern soll substantiellen Input zur Qualitätssicherung der vorgeschlagenen Regelungen liefern.

 

Indem Sie eine Frist von wenigen Stunden setzen, machen Sie es den betroffenen Interessenvertretungen faktisch unmöglich, fundierte Stellungnahmen zu verfassen, die auf solider empirischer Analyse und rechtlicher Expertise basieren. Die gesetzgeberischen Verfahren drohen hierdurch zur reinen Symbolhandlung zu degenerieren, bei der die formale Einbindung von Verbänden zwar stattfindet, deren inhaltlicher Beitrag jedoch nicht ernsthaft in Betracht gezogen wird.


Die Qualität der Gesetzgebung leidet erheblich, wenn wesentliche Perspektiven von Verbänden und Fachorganisationen nicht adäquat berücksichtigt werden. Dies ist besonders relevant im Fall der Dritten Verordnung über die Bezugsdauer für das Kurzarbeitergeld, da die vorgeschlagene Verlängerung tiefgreifende wirtschaftliche, soziale und arbeitsmarktpolitische Auswirkungen haben wird.

 

Die Analyse solcher Auswirkungen erfordert Zeit, um empirische Daten auszuwerten, internationale Vergleichsstudien heranzuziehen und die Rückmeldungen aus der Praxis einzuholen. Eine Frist von wenigen Tagen verhindert dies und führt zu einer einseitigen, potenziell unvollständigen oder fehlerhaften Gesetzesgrundlage. Dies widerspricht den Grundsätzen guter Gesetzgebung, wie sie in Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes implizit verankert sind, und gefährdet die Legitimation der vorgeschlagenen Regelung.

 

Die kurze Fristsetzung erweckt den Eindruck, dass die Verbändeanhörung in erster Linie dazu dient, den Anschein einer partizipativen Gesetzgebung zu erwecken, während das eigentliche Ziel darin besteht, den Verordnungsentwurf ohne substanzielle Kritik möglichst rasch zu verabschieden.

 

Es ist offenkundig, dass durch die Fristsetzung eine umfassende Analyse und Auseinandersetzung mit dem Verordnungsentwurf faktisch unmöglich gemacht wird. Dieses Vorgehen lässt darauf schließen, dass die Bundesregierung primär an der Realisierung eigener politischer Zielsetzungen interessiert ist und weniger an einer qualitativen Verbesserung des Gesetzesentwurfs durch konstruktive Kritik.

 

Es ist dringend geboten, die Praxis der Fristsetzung in Verbändeanhörungen grundlegend zu überdenken. Gesetzgebungsverfahren sollten nicht unter dem Vorwand der Dringlichkeit auf Kosten der Qualität und Legitimation durchgeführt werden. Eine angemessene Frist für die Stellungnahme ist unerlässlich, um den Verbänden die Möglichkeit zu geben, die wirtschaftlichen, sozialen und juristischen Aspekte der vorgeschlagenen Maßnahmen in ihrer vollen Tragweite zu analysieren und zu bewerten.

 

Die gegenwärtige Praxis hingegen führt nicht nur zu einem Vertrauensverlust in die Gesetzgebungsprozesse, sondern unterminiert auch die demokratische Legitimation der verabschiedeten Regelungen. Eine sorgfältigere Gestaltung der Anhörungsfristen könnte hingegen dazu beitragen, die Akzeptanz der Gesetze in der Bevölkerung und bei den betroffenen Akteuren zu erhöhen.

 

Die Bundesverbraucherhilfe e.V. fordert nachdrücklich eine Verlängerung der Frist für die Verbändeanhörung sowie eine grundsätzliche Überarbeitung der Fristsetzungspraxis in der Gesetzgebung. Es ist inakzeptabel, dass die Einbindung von Verbänden auf eine derart rudimentäre und formale Ebene reduziert wird.


Im Übrigen lehnen wir den Verordnungsentwurf ab.

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