Aktuelles

Warum das Image von Verbraucherschutz so leidet


Datum der Veröffentlichung: 14. Juli 2022


Will man Verbraucherinnen und Verbraucher schützen, trifft man auf viele Hürden. Vor allem das Image von Verbraucherschutz ist belastet. Die Redaktion hat den Präsidenten der Bundesverbraucherhilfe gefragt und er hat geantwortet.

Herr Dietl, warum braucht es neben der Verbraucherzentrale die Bundesverbraucherhilfe?

Die Bundesverbraucherhilfe verfolgt in der Sache, nämlich Verbraucher zu schützen, das gleiche Ziel wie die Verbraucherzentrale, tut dies aber auf eine völlig andere Weise und lässt die Meinung ihrer Mitglieder in den Entscheidungsprozess mit einfließen.

Was ist denn der Unterschied zur Verbraucherzentrale?

Die Bundesverbraucherhilfe finanziert sich ausschließlich durch die private Wirtschaft und ihre Mitglieder. Dabei fließt kein Geld vom oder an den Staat, sodass wir die Verbraucherinteressen viel unabhängiger vertreten können. Die Verbraucherzentrale ist in ihrer Funktion ja eine staatliche Organisation, was grundsätzlich nichts schlechtes ist, unsere Unabhängigkeit ist aber etwas, das ich schon als ein hohes Gut werte.

Warum haben so viele Menschen Vertrauensprobleme zu Verbraucherschutzorganisationen?

Zum einen kommt das Misstrauen von den zahlreichen Organisationen, die irgendwelche Produkte verkaufen möchten oder ganz klar und offen betrügen. Sowas trübt immer das Vertrauen. Auf der anderen Seite haben wir aber auch die Abmahnerei, auch seitens der Verbraucherzentralen. Meines Erachtens dürfte es gar keine Abmahnungen geben. Wem hilft denn schon eine Vertragsstrafe der Verbraucherzentrale über 7.000 Euro?

Wem hilft es denn Ihrer Meinung nach?

In erster Linie finanziert es die Verbraucherzentrale oder auch andere Organisationen. Dazu gehören aber auch Wettbewerber, die gegenseitig wegen kleinsten Fehlern austeilen. Im Grunde hilft eine Abmahnung weder Verbrauchern noch Anbietern. Sie ist überflüssig und birgt Misstrauen in Verbraucher-"Schutz". Man achtet ja heutzutage gar nicht mehr auf ein korrektes Impressum, weil man Verbrauchern die Informationen bereitstellen will, sondern weil man Angst vor Abmahnungen hat. Und Angst ist meiner Meinung nach nicht der richtige Ratgeber.

Inwiefern erkennt man eine seriöse Vereinigung?

Es gibt viele seriöse Verbände. In erster Linie ist es eine Frage der Transparenz. Wer seinen Vorstand offen zeigt und auch einmal selbstkritisch über sich öffentlich schreibt und nicht nur die Sonnenseiten repräsentiert, der macht schon einiges richtig. Ansonsten ist Ausschau nach den Plattformen zu halten, über die man Beschwerden einreichen kann. Wer hier groß Werbung betreibt oder hohe Gebühren verlangt, hat meist finanzielle Absichten.

Warum verfolgt die Bundesverbraucherhilfe so viele Themen auf einmal?

Wir denken ja Verbraucherschutz neu. Deshalb fangen wir vom Thema her nicht erst an, wenn es schon zu spät ist, zum Beispiel bei der Plastiktüte im Laden, sondern schon in der Produktion, der Beschaffung und dem internationalen Handel. So lässt sich Verbraucherschutz viel individueller und breiter abdecken.

Was ist in Sachen Verbraucherschutz Ihrer Meinung nach reformbedürftig und welche Reformen treibt die Bundesverbraucherhilfe voran?

Allem voran kommt mir da natürlich die breitflächige Behandlung von Themen in den Sinn, aber auch ein freundschaftliches Miteinander, das Erinnern an ein fehlerhaftes Impressum und nicht eine harte Abmahnung. Ich glaube auch, dass es wichtig ist, das anzusprechen. Einfach "ab jetzt freundlich zu sein", bringt das Vertrauen nicht zurück. Die Bundesverbraucherhilfe setzt sich dafür ein, dass sich Unternehmen wie Verbraucher im Internet und vor Ort sicher und wohl fühlen. Das ist unsere Aufgabe und der stellen wir uns jeden Tag.

Aktuelle Themen

von Aktuelles 13. Februar 2025
Der Gartenbau ist eine der stillen, oft unterschätzten Schlüsselbranchen unserer Wirtschaft. Er beeinflusst nicht nur, was auf unseren Tellern landet, sondern auch unser Klima, die Biodiversität und die nachhaltige Nutzung unserer Ressourcen. Dennoch wird er in politischen und wirtschaftlichen Debatten oft vernachlässigt. Das soll sich nun ändern – mit der Gründung des Nachhaltigkeitsrats für den Deutschen Gartenbau durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Der Präsident der Bundesverbraucherhilfe hatte gemeinsam mit Frederick Hesse aus dem BVH-Finanzausschuss die Gelegenheit, an der Gründungsveranstaltung dieses wichtigen Gremiums teilzunehmen. Unsere Teilnahme war aus einem einfachen Grund entscheidend: Nachhaltigkeit ist kein isoliertes Thema für Fachleute, sondern eine Frage, die direkt Verbraucherinnen und Verbraucher betrifft.
von Aktuelles 11. Februar 2025
Die Bundesverbraucherhilfe setzt einen Meilenstein im Verbraucherschutz: Wir gründen eine Rechtsschutzversicherung, die ihresgleichen sucht. Eine Versicherung, die keine leeren Versprechen macht, sondern echten Schutz bietet – fair, transparent, leistungsstark. Jahrzehntelang haben Verbraucher in Deutschland mit komplizierten Policen, undurchsichtigen Bedingungen und hohen Eigenbeteiligungen zu kämpfen gehabt. Das ändern wir jetzt. Denn der Markt ist nicht gerecht. Wer sich gegen ungerechtfertigte Forderungen wehren will, braucht eine starke Absicherung. Doch gerade jene, die Schutz am dringendsten benötigen, stehen oft vor unüberwindbaren Hürden. Teure Tarife, langwierige Verfahren, versteckte Ausschlüsse – das ist nicht Verbraucherschutz, sondern eine systematische Hürde für diejenigen, die ihr gutes Recht durchsetzen wollen. Die Bundesverbraucherhilfe hat in den letzten Jahren gezeigt, was möglich ist, wenn man Verbraucherschutz nicht nur predigt, sondern ihn mit einer klaren Strategie in die Praxis umsetzt. Wir haben Reformvorschläge eingebracht, Unternehmen zu faireren Geschäftspraktiken bewegt, für mehr Transparenz gesorgt. Doch es gibt Momente, in denen Manöverkritik allein nicht ausreicht – dann muss man selbst gestalten.  Und genau das tun wir. Wir machen es selbst.
von Aktuelles 7. Februar 2025
Es ist eine gute Nachricht mit fadem Beigeschmack: Die Verbraucherpreise sind 2024 deutlich weniger stark gestiegen als in den beiden Vorjahren: 2,2 Prozent im Vergleich zu 6,9 bzw. 5,9 Prozent. Das klingt zunächst nach einer Preisberuhigung, bedeutet aber eben auch, dass das Preisniveau nicht nur hoch geblieben ist, sondern weiter angestiegen ist. Und bei manchen Produkten des täglichen Bedarfs wie Schokolade (+ 14 Prozent) und Speiseöl (+ 10 Prozent) kann von Entspannung sowieso keine Rede sein. Was die Situation für Verbraucher besonders undurchsichtig macht, ist die sogenannte "Shrinkflation" – versteckte Preissteigerungen, die vor allem in der Lebensmittelindustrie weit verbreitet sind. Anstatt die (Verkaufs-)Preise zu erhöhen, schrumpft (englisch “shrink”) der Produktinhalt, wodurch die Ware natürlich ebenfalls teurer wird. Diese Form der Preissteigerung belastet das Portemonnaie ebenso stark wie die “echte” Inflation, ist aber häufig schwerer zu erkennen. Eingesetzt werden verschiedene Tricks und Täuschungsmanöver, zum Beispiel: Klassische Shrinkflation: Derselbe Preis für weniger Inhalt. “Billiger”-Trick: Leicht sinkender Preis, aber viel weniger Inhalt. Wechselnde Füllmengen: Mal mehr, mal weniger Inhalt – das erschwert den Preisvergleich. “Mehr-drin”-Trick: Hinweis auf mehr Inhalt bei zugleich unverhältnismäßig starker Preiserhöhung. Besonders hart trifft die Shrinkflation Menschen mit niedrigem Einkommen. Sie geben einen größeren Teil ihres Einkommens für Lebensmittel aus und greifen häufig zu den vermeintlich billigen Eigenmarken der Discounter und Supermärkte. Doch gerade deren Preise waren in den letzten Jahren von Inflation und Shrinkflation betroffen. Die Bundesverbraucherhilfe fordert deshalb eine eindeutige Kennzeichnung von Produkten, die durch reduzierten Inhalt oder Verpackungstricks teurer werden – nach dem Vorbild Frankreich. In unserem Nachbarland müssen “Mogelpackungen” seit Sommer 2024 mit einem Hinweis versehen werden. Bis der Gesetzgeber auch in Deutschland reagiert, empfehlen wir dir einen kritischen Blick auf Preise und Packungen. Um dich nicht täuschen zu lassen, kannst du beim Einkaufen auf folgende Tipps zurückgreifen: Vergleiche die Grundpreise! Achte auf den Preis pro Kilo, der auf dem Preisschild angegeben sein muss. Sei vorsichtig bei neuen Verpackungen! Hinter veränderten Designs versteckt sich häufig ein erhöhter (Grund-)Preis. Kontrolliere die Füllmenge! Merke dir gerade bei Produkten, die du häufig kaufst, wie viel drin ist. Schau bei Aktionen zweimal hin! Sei skeptisch, wenn für Sondergrößen oder neue Produktvarianten geworben wird. Prüfe die Zutatenliste! Shrinkflation betrifft nicht immer nur die Quantität, sondern manchmal auch die Qualität des Inhalts (Beispiel: Saft gemischt mit Zuckerwasser).  Und im besten Fall bevorzugst du sowieso unverpackte Lebensmittel, die pro Stück oder Gewicht abgerechnet werden. Dann weißt du sofort, was du für dein Geld bekommst – und sparst zum Wohle der Umwelt auch noch Verpackungsmüll.
Share by: